Professor Woiciechowsky Praxis für Neurochirurgie & Rücken- und Sportmedizin, Berlin
Der schnelle Weg zurück zur Aktivität und Sport
In unserer leistungsorientierten Gesellschaft können wir uns häufig einen längeren Ausfall nicht leisten. Eine Erkrankung oder Verletzung muss kurzfristig überwunden werden, damit wir schnell wieder einsatzbereit sind. Dies gilt für den Leistungssport aber auch im Beruf, vor allem wenn jemand in einer Führungsposition tätig ist.
Der Bandscheibenvorfall ist häufig ein Akutereignis, dass den Patienten plötzlich aus dem Alltag reißt. Die Jahresprävalenz lumbaler Bandscheibenvorfälle, d.h. die Häufigkeit eines Bandscheibenvorfalls in der Bevölkerung während eines Jahres, liegt in den westlichen Industrieländern im Durchschnitt zwischen 1 und 2,5%, zeigt aber eine deutliche Altersabhängigkeit mit einem Gipfel zwischen dem 30. Und 50. Lebensjahr. Die Lebenszeitprävalenz bei 45- bis 55-Jährigen beträgt über 20%, d. h. ca. jeder Fünfte in dieser Gruppe wird einen Bandscheibenvorfall erleiden1.
Bei einem Bandscheibenvorfall reißt der äußere Faserring. Dadurch gelangen Teile des Gallertkern in den Wirbelkanal. Dies kann dann Druck auf den Spinalnerven ausgeüben und eine Entzündungsreaktion ausgelösen, die Immunzellen anlockt und dann allmählich den Bandscheibenvorfall auflöst. Dieser Prozess dauert ca. sechs bis zwölf Wochen und hat eine Heilungschance von ca. 80 %. Da Entzündung und Druck auf den Nerven zu Schmerzen führen, richtet sich die konservative Therapie in erster Linie auf die Beseitigung von Schmerzen, um dem Körper Zeit zu geben, das Problem selbst zu lösen. Es können aber auch Gefühlsstörungen und Lähmungen auftreten, die ein frühzeitigeres operatives Eingreifen erfordern.
In der Akutphase kommen Schmerzmedikamente, bzw. Bildwandler- oder CT-gestützte periradikulären oder epiduralen Injektionen zum Einsatz aber auch Muskelrelaxantien, Wärmeapplikation, Traktion und Stufenlagerung.
Bei wellenförmigem Verlauf, fehlender linearer Besserung oder gar Verschlechterung unter konservativer Therapie sollte zeitnah ein Strategiewechsel in Erwägung gezogen werden. Will man den Heilungsprozess verkürzen oder Folgen wie Lähmungen vermeiden, so ergibt sich die Frage einer Operation.


Historie der Bandscheibenchirurgie
Die Bandscheibenchirurgie hat im Lauf der Zeit eine dramatische Entwicklung durchlaufen. Dabei haben zwei Dinge eine entscheidende Rolle gespielt: Erstens Licht und zweitens Vergrößerung. Beim Licht ist es natürlich entscheidend, es auch an die richtige Stelle zu bringen. Normale OP-Lampen leuchten gut die Oberfläche aus, aber schlecht die Tiefe. Dies wurde verbessert durch Stirnlampen und Lupenbrille und
optimiert durch das Mikroskop. Aber auch das Mikroskop hat die Lichtquelle außen und das Licht gelangt durch einen Schacht in das eigentliche OP-Feld. Dies macht es schwierig jeden Winkel auszuleuchten. Nur das Endoskop schafft es, das Licht direkt und verlustfrei in die Tiefe zu bringen und somit eine optimale Ausleuchtung jeden Winkels ohne die Spur eines Schattens. Daneben bietet das Endoskop ein Weitwinkel, den gewünschten Vergrößerungsfaktor und die entsprechende Tiefenschärfe, womit die operative Sicht wesentlich verbessert wurde. Dadurch konnte der Hautschnitt und der operative Zugang minimiert werden, von 6-7 cm in der offenen Technik bis auf 5-8 mm in der Endoskopie. Des Weiteren hat die Entwicklung der Monitore die operative Sicherheit erhöht, indem es die Schärfe und Detailtreue wesentlich verbessert hat. Heutzutage werde 4K-Endoskope und Monitore eingesetzt mit höchster Schärfe und Farbbrillanz.

Technik der endoskopischen Bandscheibenchirurgie
Die endoskopische Bandscheibenoperation ist eine innovative und elegante Technik. Sie vermeidet größere Hautschnitte, das Abschieben von Muskulatur und größere Wegnahme von Knochen- und Gelenkanteilen. Bei der endoskopischen Bandscheibenoperation wird an der Lendenwirbelsäule über eine 8mm große Hülse und ein Endoskop mit einem 4,1 mm großen Arbeitskanal die gesamte Operation durchgeführt 2. Dadurch ist die vollständige Entfernung fast aller Bandscheibenvorfälle möglich und es verbleibt eine kaum sichtbare Narbe. Auch gibt es fast keine Vernarbungen innerhalb des Wirbelkanals, sodass das Risiko des sogenannten Postdiskektomie-Syndroms deutlich geringer ist als bei konventionellen „offenen“ oder „mikrochirurgischen“ Operationen. An der Halswirbelsäule können sogar noch kleinere Endoskope eingesetzt werden, da auch die Bandscheibenvorfälle kleiner sind. Die Hülse ist 6,9 mm und das Endoskop hat einen Arbeitskanal von 3,1 mm 3.
Es gibt prinzipiell drei Vorgehensweisen in der endoskopischen Bandscheibenchirurgie (Abb. 1):
- Der interlaminäre Zugang von oben durch den Wirbelkanal.
- Der laterale transforaminale Zugang, streng von der Seite, parallel zum hinteren Längsband durch das Neuroforamen (Abb. 2).
- Der posterolaterale transforaminale Zugang von schräg durch das Neuroforamen.
Welche Methode im Einzelfall zu Anwendung kommt, entscheidet der Operateur in Abhängigkeit von der Lokalisation des Bandscheibenvorfalls und den anatomischen Gegebenheiten.
Der interlaminäre Zugang ist universell und am meisten verbreitet. Er ist für paramedian gelegene, nach kranial oder kaudal sequestrierte Bandscheibenvorfälle geeignet (Abb.3). Der Zugang ist an allen Wirbelsäulenabschnitten möglich. Wenn das so genannte interlaminäre Fenster zu klein ist, dann kann dieses endoskopisch erweitert werden. Dazu stehen verschiedene Fräsen und Faßzangen zur Verfügung.

Die Vorteile der endoskopischen Bandscheibenoperation sind:
- kleine Hautinzision und ein atraumatischer Zugang ohne wesentlichen Stabilitätsverlust,
- permanente Spülung des OP‑Gebiets und damit ein Auswaschen von Entzündungsfaktoren,
- kurze OP‑Dauer,
- geringe peri- und postoperative Morbidität, kaum Wundschmerz, frühe Mobilisation und Rehabilitation,
- niedrige Komplikationsraten, extrem geringes Risiko für Nachblutung oder Infektion.
Deshalb sollte bei Versagen konservativer Therapiemaßnahmen zeitnah über eine endoskopische Operation nachgedacht werden, um den Patienten frühzeitig zur gewohnten Aktivität zurückzuführen.
Literaturverzeichnis
- Mayer HM, Heider FC. Der lumbale Bandscheibenvorfall. Orthopädie und Unfallchirurgie. 2016;11:427-447. doi:10.1055/s-0042-105603
- Anichini G, Landi A, Caporlingua F, et al. Lumbar Endoscopic Microdiscectomy: Where Are We Now? An Updated Literature Review Focused on Clinical Outcome, Complications, and Rate of Recurrence. BioMed Research International. 2015;2015. doi:10.1155/2015/417801
- Godolias G. Full-Endoscopic Cervical Posterior Foraminotomy for the Operation of Lateral Disc Herniations Using. Spine. 2008;33(9):59-67.
Abb. 1
Die verschiedenen Zugangswege in der endoskopischen Bandscheibenchirurgie: 1. der interlaminäre Zugang von oben durch den Wirbelkanal, 2. der posterolaterale transforaminale Zugang von schräg durch das Neuroforamen und 3. der laterale transforaminale Zugang, streng von der Seite, parallel zum hinteren Längsband durch das Neuroforamen (Bilder mit freundlicher Genehmigung der RIWOspine GmbH, Knittlingen).
Abb. 2
Position des Operateurs beim lateralen transforaminalen Zugang, streng von der Seite. Auf diesem Weg kann ein Bandscheibenvorfall ohne wesentlichen Umgebungsschaden erreicht werden. Der Zugang ist im Wesentlichen für bestimmte Vorfälle in Höhe LWK 3/4 und 4/5 begrenzt.
Abb. 3
Blick durch das Endoskop beim interlaminären Zugang. Links: nach Eröffnung des hinteren Längsbands. Man sieht oben den ausgespannten, sich unter Druck befindlichen Nerven und drunter den Bandscheibenvorfall, der noch von einer dünnen Lamelle des hinteren Längsbands bedeckt ist. Mitte: die Lamelle ist inzidiert und Bandscheibengewebe quillt hervor. Rechts: nach Entfernung des Vorfalls ist der entlastete Nerv sichtbar.
Abb. 4
Oben: T2-gewichte MRT-Bilder sagittal und axial mit Darstellung eines mediolateralen Bandscheibenvorfalls in Höhe BWK 11/12, Mitte: intraoperative Bildwandler-Aufnahmen des posterolateralen transforaminalen Zugangs mit Darstellung der Hülse im Neuroforamen BWK 11/12. Das rechte Bild zeigt eine kleine Faßzange mit der der Vorfall entfernt wird. Unten: Postoperative T2-gewichte MRT-Bilder sagittal und axial mit Darstellung des vollständig entfernten Bandscheibenvorfalls.